Zusammenfassung (SiGeKo, aber warum?)
SiGeKo, aber warum?
Ein Bauvorhaben im Kontext der Baustellenverordnung (BaustellV) bezieht sich auf den Ort, an dem Bauarbeiten durchgeführt werden. Dies kann das Errichten, Verändern oder Abreißen einer oder mehrerer baulicher Anlagen umfassen.
Zusätzliche Definitionen sind üblicherweise in den Arbeitsschutzregelungen für Baustellen unter "RAB 10 Begriffsbestimmungen" zu finden.
Wie kam es zur Baustellenverordnung?
Mit der Einführung der Baustellenverordnung kam die Frage auf, warum Bauherren als Zielgruppe einer Vorschrift zur Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes in Betracht gezogen werden. Die Bundesregierung erklärte in der Baustellenverordnung:
"Der Bauherr trägt als Initiator eines Bauvorhabens die Verantwortung dafür. Daher obliegt es ihm, die in der Baustellenverordnung festgelegten spezifischen Arbeitsschutzmaßnahmen sowohl bei der Planung als auch bei der Ausführung und Koordinierung des Bauvorhabens einzuleiten und umzusetzen."
Ein zentrales Ziel war es, bereits in der Vorbereitungsphase der Bauarbeiten die Planung und Organisation unter Berücksichtigung der sicheren Zusammenarbeit und der gemeinsamen Nutzung von Sicherheitseinrichtungen zu gewährleisten. Laut Feststellungen der EU-Kommission sind 28 % der tödlichen Unfälle auf Baustellen auf unzureichende Organisation und 35 % auf Planungsfehler zurückzuführen. Somit hätten fast zwei Drittel der Unfallursachen bereits vor Beginn der Bauausführung positiv beeinflusst werden können. Seit 1995 befindet sich die deutsche Bauwirtschaft aufgrund veränderter Rahmenbedingungen in einem tiefgreifenden Anpassungsprozess, der zu einem beispiellosen Strukturwandel geführt hat. Ein Forschungsbericht zur Wirksamkeit der Baustellenverordnung stellte fest, dass diese Entwicklungen "nicht förderlich für eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten auf Baustellen" waren.
Die Hauptursachen für die hohen Unfall- und Gesundheitsrisiken auf Baustellen bestehen weiterhin in Form von:
Unfall- und Berufskrankheitsgeschehen
Im Jahr 2021 wurden auf Baustellen 59 meldepflichtige Arbeitsunfälle pro 1.000 Vollarbeiter registriert, was diese Branche an die Spitze aller Wirtschaftszweige hinsichtlich der Unfallhäufigkeit stellt.
Verantwortung von Bauherren, Arbeitgebern und Führungskräften
Die Baustellenverordnung legt spezielle rechtliche Verpflichtungen für Bauherren fest, die für die sichere Planung und Durchführung von Bauarbeiten mitverantwortlich sind.
Gemäß der Baustellenverordnung haben Bauherren bzw. die von ihnen beauftragten Dritten folgende Pflichten:
Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze nach § 4 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) bei der Planung und Ausführung des Bauvorhabens.
Ankündigung des Vorhabens bei der Arbeitsschutzbehörde, wenn die Arbeiten voraussichtlich mehr als 30 Tage dauern und mehr als 20 Beschäftigte gleichzeitig tätig sind, oder wenn der Arbeitsumfang mehr als 500 Personentage beträgt.
Bestellung eines Koordinators, wenn mehrere Arbeitgeber auf der Baustelle tätig sind.
Erstellung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes, wenn mehrere Arbeitgeber oder Unternehmer auf Baustellen arbeiten, die eine Vorankündigung erfordern oder besonders gefährliche Arbeiten durchführen.
Information des Arbeitgebers, der mit seinen Beschäftigten die Baumaßnahme allein durchführt, über relevante Umstände auf dem Gelände, die für einen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan wichtig sind, sofern eine Vorankündigung erforderlich ist oder besonders gefährliche Arbeiten gemäß Anhang II der BaustellV durchgeführt werden.
Zusammenstellung einer Unterlage für spätere Arbeiten an der baulichen Anlage.
Allgemein bekannt ist, dass die Bedingungen, unter denen Bauwerke errichtet werden, hohe Anforderungen an die Fachkenntnisse der am Bau Beteiligten stellen. Ebenso ist es eine Tatsache, dass die komplexen Abläufe von Bauarbeiten sowie die Vielfalt der angewendeten Technologien unter Berücksichtigung der kurzen zur Verfügung stehenden Bauzeiten eine hohe Dichte gleichzeitig tätiger verschiedener Unternehmer erfordern. Entscheidend dabei ist, dass die auf der Baustelle tätigen Unternehmer in einem direkten Vertragsverhältnis zum Bauherrn stehen. Um einer möglichen Überforderung von Bauherren aufgrund dieser objektiven Gegebenheiten entgegenzuwirken, bietet die Baustellenverordnung die Möglichkeit, einen geeigneten Koordinator zu bestellen. Dieser übernimmt im Auftrag des Bauherrn die konkret in der Baustellenverordnung festgelegten Rechtspflichten.
Mit der Beauftragung eines oder mehrerer Koordinatoren werden Bauherren bzw. verantwortliche Dritte jedoch nicht von ihrer Verantwortung entbunden und können ihre Rechtspflicht nicht an den Koordinator weitergeben. Vielmehr haben sie die organisatorische Verpflichtung, einen geeigneten Koordinator zu bestellen, ihn rechtzeitig – bereits in der Planungsphase der Bauausführung – zu beauftragen, ihm die erforderlichen Kompetenzen zu übertragen und sich kontinuierlich vom Erfolg der Tätigkeit des Koordinators zu überzeugen.
Das übliche Instrumentarium zur Abstimmung und Koordination aus § 8 Arbeitsschutzgesetz und § 6 DGUV-V 1 "Grundsätze der Prävention zur Zusammenarbeit mehrerer Unternehmer" wird durch die Baustellenverordnung hinsichtlich der Normadressaten erweitert. Auch Arbeitgeber und Unternehmer sind durch die Institution des Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinators nicht von ihrer Verantwortung für die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten befreit. Sie sind u. a. durch § 5 Abs. 1 BaustellV angehalten, die "Hinweise des Koordinators und den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan zu berücksichtigen".
Die Bestimmungen der Baustellenverordnung verlangen vom Arbeitgeber explizit, dass sie ihre Rechtspflichten nach dem Arbeitsschutzgesetz und den Unfallverhütungsvorschriften unabhängig von der Bestellung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinators vollständig wahrnehmen. In der Verordnung heißt es dazu: "Die Verantwortlichkeit der Arbeitgeber für die Erfüllung ihrer Arbeitsschutzpflichten wird durch die Maßnahmen nach den §§ 2 und 3 nicht berührt" (§ 5 Abs. 3 BaustellV).
Im Unterschied zum üblichen Prinzip in den Arbeitsschutzvorschriften, dass Arbeitgeber die Sicherheit und den Schutz ihrer Beschäftigten sicherstellen müssen, verlangt § 6 BaustellV, dass auch Unternehmer ohne Beschäftigte (z. B. Solo-Selbstständige, Einzelunternehmer) die Arbeitsschutzvorschriften einhalten und die Hinweise des Koordinators berücksichtigen müssen.
Die Aufforderung an die Unternehmer, die Hinweise des Koordinators zu berücksichtigen, begründet jedoch keinerlei Weisungsbefugnisse des Koordinators. Folglich haben Arbeitgeber und Unternehmer die Pflicht, die Hinweise des Koordinators zu beachten.
Konsequenzen von Verstößen
Die Baustellenverordnung bietet der zuständigen Behörde verschiedene Sanktionsmöglichkeiten bei Pflichtverletzungen durch die Normadressaten.
Wenn Bauherren oder beauftragte Dritte eine Vorankündigung nicht, nicht korrekt, unvollständig oder nicht rechtzeitig an die zuständige Arbeitsschutzbehörde übermitteln oder bei entsprechenden Anforderungen nicht sicherstellen, dass vor Beginn der Bauarbeiten ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan erstellt wird, können sie mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 EUR belegt werden. Diese Verstöße können auch ohne direkte schädliche Auswirkungen auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der auf der Baustelle Beschäftigten ordnungsrechtlich verfolgt werden. Bemerkenswert ist, dass für die Vorankündigung, die im Vergleich zum Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan weniger aufwendig ist, konkretere und eindeutigere formale Anforderungen bestehen.
Dies sollte jedoch nicht dazu führen, den Wert eines gut durchdachten Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes zu unterschätzen. Obwohl die Rechtsprechung die Bedeutung eines solchen Planes bisher nicht in Urteile einbezogen hat, ist ein Vorwurf des schuldhaften vorsätzlichen Handelns nicht ausgeschlossen. Dies könnte der Fall sein, wenn Gefährdungen für Beschäftigte auf Baustellen, die durch rechtzeitige und fachgerechte Planung hätten vermieden werden können, als so gravierend angesehen werden, dass sie erhebliche Gefahren oder sogar schwere bzw. tödliche Unfälle verursachen. Bei vorsätzlichem Handeln mit Gefährdung von Leben und Gesundheit von Beschäftigten kann die Strafvorschrift des § 7 Abs. 2 BaustellV in Verbindung mit § 26 ArbSchG zur Anwendung kommen, die Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr vorsieht.
Darüber hinaus können auch zivilrechtliche Bestimmungen greifen. In einigen Fällen haben Gerichte bereits Schadenersatzansprüche gegen Koordinatoren oder die sie beauftragenden Unternehmen nach Unfallereignissen gemäß § 823 BGB anerkannt. Auch die Unfallversicherungsträger werden zunehmend aktiv und erheben Regressansprüche gemäß § 110 SGB VII.
Kosten und Nutzen der Schutzmaßnahme
Die Bestellung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinators bringt ohne Zweifel Kosten mit sich. In Deutschland gibt es bisher keine vergleichbare Vergütungsgrundlage wie die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) für diese Leistungen. Es existieren jedoch Erfahrungswerte, die den angemessenen Aufwand für die sachgerechte Tätigkeit des Koordinators in der Planungs- und Ausführungsphase widerspiegeln und die in entsprechenden Empfehlungen und Fachliteratur nachgelesen werden können. Grob geschätzt belaufen sich die Honorarkosten für den Koordinator auf etwa 0,2 bis 0,3 % der Gesamtbausumme bei mittleren Bauvorhaben. Allerdings zeigt sich, dass bei größeren Bausummen der prozentuale Anteil der Honorarkosten für den Koordinator tendenziell sinkt.
Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Nutzen aus der Bestellung des Koordinators lässt sich anhand bisheriger Praxiserfahrungen nicht leicht quantifizieren. Langjährige Erfahrungen zeigen jedoch, dass eine zielgerichtete und fachgerechte Ausschreibung von Leistungen für gemeinsam genutzte Sicherheitseinrichtungen bereits vor Beginn der Bauausführung eine einigermaßen gesicherte Höhe der Vergütung wahrscheinlicher machen kann. Durch die Analyse des Koordinators zu möglichen Gefährdungen und den erforderlichen Schutzmaßnahmen in der Planungsphase können bereits Aufwandsschätzungen für auszuschreibende Sicherheitseinrichtungen vorgenommen werden, was höhere Kostensicherheit und -transparenz erzeugt.
Darüber hinaus kann die Verpflichtung, bereits in der Ausführungsplanung des Bauvorhabens die späteren Instandhaltungsarbeiten im Hinblick auf sichere Durchführung zu betrachten, zu echten Kosteneinsparungen für die Bauherren und späteren Betreiber der baulichen Anlagen führen. Bereits in der Planung des Bauwerks werden die Betriebskosten für die gesamte Lebensdauer zu etwa 70 bis 90 % festgelegt. Der nicht unerhebliche Anteil an den Instandhaltungskosten kann durch die Einflussnahme des Koordinators in der Planungsphase kostensenkend beeinflusst werden.
Insgesamt kann die rechtzeitige Beauftragung eines geeigneten Koordinators dazu beitragen, die Gesamtkosten für den Bau und den Betrieb eines Bauwerks zu optimieren.
Neben der möglichen Kostenoptimierung gewinnen Bauherren durch die rechtzeitige und angemessene Beauftragung von Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinatoren auch an Rechtssicherheit durch sinnvolle Pflichtenübertragungen und an Image. Besonders Bauherren aus der Industrie und der öffentlichen Hand stehen im Fokus des öffentlichen Interesses und möchten nicht mit Arbeitsunfällen auf Baustellen in Verbindung gebracht werden.
FAQs
1. Muss für jedes Bauvorhaben durch den Bauherrn ein Koordinator bestellt werden?
Ein Koordinator muss nur dann bestellt werden, wenn bei dem Bauvorhaben Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber tätig werden. In diesem Fall ist der Bauherr oder ein beauftragter Dritter verpflichtet, einen geeigneten Koordinator zu ernennen. Wird das Vorhaben durch einen Generalübernehmer (GÜ) realisiert, kann der Bauherr seine Pflichten nach der BaustellV an diesen als verantwortlichen Dritten übertragen. Es empfiehlt sich, diese Übertragung schriftlich festzuhalten und den genauen Umfang der übergehenden Pflichten zu beschreiben.
2. Wie können Bauherren überprüfen, ob ein Koordinator für das Bauvorhaben "geeignet" ist?
Die Verordnung verlangt, dass der Bauherr einen "geeigneten Koordinator" bestellt, ohne dies näher zu definieren. Hinweise dazu gibt die RAB 30 "Geeigneter Koordinator". Um die Eignung eines Koordinators zu beurteilen, sollte sich der Bauherr Nachweise vorlegen lassen zu:
Detailliertere Erläuterungen dazu finden sich in den Anlagen A bis C zur RAB 30.
3.Gibt es Vorgaben an die Vorankündigung eines Bauvorhabens?
Für jede Baustelle, bei der
die voraussichtliche Dauer der Arbeiten mehr als 30 Arbeitstage beträgt und auf der mehr als 20 Beschäftigte gleichzeitig tätig werden, oder
der Umfang der Arbeiten voraussichtlich 500 Personentage überschreitet,
muss der zuständigen Arbeitsschutzbehörde spätestens zwei Wochen vor Einrichtung der Baustelle eine Vorankündigung übermittelt werden. Diese Vorankündigung ist sichtbar auf der Baustelle auszuhängen und bei erheblichen Änderungen anzupassen. Sie muss mindestens folgende Angaben nach Anhang I der BaustellV enthalten:
- Angaben zu bereits ausgewählten Arbeitgebern bzw. Unternehmern ohne Beschäftigt.
4. Gibt es Vorgaben zu Form und Inhalt des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes?
Die Verordnung selbst enthält keine definierten Einzelbestimmungen. In der RAB 31 "Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan" sind jedoch Mindestanforderungen an den Inhalt von SiGe-Plänen formuliert:
An die Darstellungsform von SiGe-Plänen werden weder durch die BaustellV noch durch die RAB 31 konkrete Anforderungen gestellt. Die Erarbeiter der SiGe-Pläne sind somit an keine Formvorgabe gebunden.
5. Gibt es Vorgaben an Form und Inhalt der Unterlage für spätere Arbeiten an der baulichen Anlage?
Ähnlich wie beim SiGe-Plan gibt es im Verordnungstext keine expliziten Anforderungen. Jedoch wurden in der RAB 32 "Unterlage für spätere Arbeiten" die notwendigen Inhalte festgelegt:
Im Gegensatz zur RAB 31 wurden für die Unterlagen Beispielslösungen veröffentlicht.
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